Bundesregierung plant wieder temporäre Änderungen bei Insolvenzantragspflicht
Erneut sieht sich die deutsche Wirtschaft mit großen Problemen, resultierend aus hoher Inflation und rapide steigenden Energiepreisen, konfrontiert. Daher ist es auch nicht weiter überraschend, dass sich die Bundesregierung mit Anpassungen und Entlastungen beschäftigt, die bereits zu Hochzeiten der Corona-Pandemie ein Thema waren.
Aktuell sind die Entlastungen lediglich in einer Planungsphase und werden vermutlich nicht so weitgreifend wie beim letzten Mal ausfallen. Vordergründig gehe es der Regierung darum, „überflüssige Insolvenzen aus Unsicherheit“ zu vermeiden. Im Fokus stehe dabei die Überschuldung als Insolvenzantragsgrund, nicht die Zahlungsunfähigkeit.
Die vorherigen Entlastungen und Änderungen griffen soweit, dass sogar Aussetzungen der Insolvenzantragspflicht möglich waren. Soweit greifen die aktuellen Überlegungen nicht.
Aktuell muss ein handelsrechtliche überschuldetes Unternehmen binnen sechs Wochen einen Antrag auf Eröffnung eines Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Gesellschaften stellen, solange keine positive Fortbestehensprognose ausgestellt werden kann. Diese beinhaltet eine Zahlungsfähigkeitsprüfung und eine Planung über einen Zeitraum von 12 Monaten, die bescheinigen, dass über den Planungszeitraum der Erhalt der Zahlungsfähigkeit des Unternehmens überwiegend wahrscheinlich ist.
Diese Planung und der Nachweis einer Zahlungsfähigkeit sollen sich nun auf einen Zeitraum von lediglich 4 Monaten reduzieren. Auch der Planungszeitraum bei einem Antrag auf ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung soll von 6 auf nunmehr 2 Monate reduziert werden. Diese Änderungen könnten bis Ende 2023 gelten.
Sind diese Maßnahmen erfolgsversprechend?
Ziel scheint zu sein, eine gewisse Unsicherheit, die eine mittel- bis langfristige Planung selbstredend immer mit sich bringt, auszuschließen und dadurch die Geschäftsführung geringer Haftung auszusetzen. Außerdem könnten bei Vertiefung der allgemeinen Schieflage der Wirtschaft, kurzfristige Hilfspakete und Zahlungsspritzen zu einem Erhalt der Zahlungsfähigkeit in den kurzfristigen Planungen helfen.
Dies birgt aber nun mal die Gefahr, dass Unternehmen, die mittel- bis langfristig zahlungsunfähig werden, zunächst eben keinen Insolvenzantrag stellen müssen, obwohl eine langfristige Betrachtung ein ganz anderes Bild zeigen würde.
Dies wiederum kann zu unnötigem Verzehr der Insolvenzmasse führen, die den Gläubigern zusteht. Kommt es zu geringeren Insolvenzquoten oder gar späteren Totalausfällen, sind Folgeinsolvenzen im Kreise der Gläubiger nicht ausgeschlossen.
Es wird also ein Risiko geschaffen, dass sich erneut viele eigentlich insolvenzreife Unternehmen am Mark halten und den gesamten Wirtschaftskreislauf gefährden – die viel erwähnten Zombieunternehmen.
Was genau ist ein Zombieunternehmen?
Zombieunternehmen sind Unternehmen, die faktisch unter normalen betriebswirtschaftlichen Bedingungen nicht mehr am Markt agieren würden bzw. schon längst im Rahmen von Insolvenz oder Liquidation ihren Geschäftsbetrieb eingestellt hätten.
Es handelt sich in der Regel um Unternehmen, die aufgrund von verdeckten Subventionen oder sonstigen Entlastungen irgendwie weiter existieren konnten – oftmals am Rande der Legalität.
Haftung der Geschäftsführung wird gemindert
Normalerweise gilt nach Eintritt der Insolvenzreife (also auch Überschuldung ohne positive Fortbestehensprognose) für die Geschäftsführung ein sogenanntes Zahlungsverbot.
Zahlt die Geschäftsführung im Wissen, dass nicht mehr alle Gläubiger bedient werden können, ist Gläubigerbenachteiligung gegeben und die Geschäftsführung würde in der Regel für daraus resultierende Schädigungen der Gläubiger haften (Quotenschadenhaftung).
Diese Gefahr hat Geschäftsführer häufig dazu bewegt, einen notwendigen Insolvenzantrag auch in der vorgesehene Frist zu stellen.
Durch die nunmehr geplante Reduzierung der Planungszeiträume, werden diese Haftungsgefahren ebenfalls gemindert, sodass Geschäftsführer auch im Wissen über einen langfristigen Ausfall des Unternehmens, eine kurzfristige Weiterführung befürworten werden.
Der Rückgang von Insolvenzen wird dadurch ggfs. künstlich erzeugt
Die aktuelle Sorge vieler Unternehmer, die jetzt bereits durch die hohe Inflation ihre Preise erhöhen müssen, sind die steigenden Energiepreise. Es kommt in vielen Branchen ein Punkt, an dem die erhöhten Kosten nicht weiter von den Kunden übernommen werden können, was zu Umsatzeinbrüchen führt. Eine Überschuldung kann die Konsequenz sein, da die Planungen mit äußerster Vorsicht aufgestellt werden müssen. Verkürzte Planungszeiträume können hier sicher Abhilfe schaffen, gerade wenn das Unternehmen noch über Rücklagen verfügt, die ggfs. einen Zeitraum von 4 Monaten überbrücken können.
Es scheint also erst mal so, als wäre das Unternehmen solide aufgestellt. Bei näherer Betrachtung muss aber ggfs. festgestellt werden, dass das Unternehmen nach Verzehr der Rücklagen keine Chancen mehr hat, erfolgreich am Markt zu agieren und so oder so Insolvenzantrag stellen muss. Dies geschieht in der Regel dann später auch, allerdings erst nach Verzehr der Rücklagen zu Lasten sämtlicher Gläubiger.
Hinzu kommt eine weitere Anspannung der Gesamtsituation, wenn sich die Zinsen weiter erhöhen und externe Liquidität nicht mehr finanzierbar ist.
Niedrigzinsen waren der Tropf, an dem ganze Branchen hängen
Ganze Branchen bzw. Branchenteile hängen am Tropf der Niedrigzinsen, da nach wie vor im Kostenbereich nicht konsequent genug geprüft wurde und möglicherweise der Markt Abgabepreise vorgibt. Oft werden angeschlagene Unternehmen, die sich durch die Niedrigzinsen am Leben erhalten, dazu verleitet, über ihre Verhältnisse zu leben und/ oder nicht markt-, kosten- und ertragsbewusst zu wirtschaften. Hohe Anteile von kurzfristigen Krediten ermöglichten das Überleben der Unternehmen.
Der hohe Anteil von Kontokorrentkrediten bzw. teilweise sogar die Zustimmung bei geduldeten Inanspruchnahmen sorgt dafür, dass das Unternehmen bei der kleinsten Änderung bei den regelmäßig vereinbarten flexiblen Zinsen sofort in Existenzgefahr rutscht.
Prüft man bei gewissen Branchen die Bilanzen, findet man Kredite von maximal einem Jahr sowie die entsprechenden Kontokorrent- und Überziehungskredite. Diese kurzfristigen Kreditmittel sind für die Unternehmen deshalb so problematisch, weil eine Zinserhöhung auf dem Markt sich im Grunde sofort niederschlägt. Unternehmen, die sich regelmäßig über kurze Fristen (re-)finanzieren, sind deshalb sofort anfällig bei den aktuellen Zinserhöhungen.
Bedingte Einflussnahme von Steuerberatern im Rahmen der Beratung möglich
Die regelmäßige Überprüfung der Bilanz von bestimmten mittelständischen Betrieben aus risikoanfälligen Branchen ist nötig und wichtig, um hier nochmals die Geschäftsführung auf die möglichen Gefahren hinzuweisen.
Auch die Überprüfung von Dauerschuldverhältnissen, personalwirtschaftlichen Maßnahmen und Anpassungen von Strategien sind vor der eingetretenen Krise besser zu bewältigen. Hierzu kommt auch die Überlegungen, ob nicht ein Insolvenzverfahren in Eigenverwaltung eine gute Alternative wäre, da das Unternehmen dann gestärkt und restrukturiert nach Annahme eines Insolvenzplans wieder am Markt tätig sein kann. Hier ist es wichtig, den Mandanten die langfristigen Konsequenzen klar zu machen und die aktuell geplanten Erleichterungen bei der Überschuldungsfeststellung entsprechend im richtigen Licht zu würdigen.
Niemandem ist durch Hinauszögern des Unausweichlichen geholfen.
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